Programmlinie | Raum, Infrastrukturen, Wirtschaft und Umwelt an die Klimawandelfolgen anpassen
Wie können klimaresiliente Siedlungsstrukturen geschaffen werden?
HINTERGRUND
Die Folgen des Klimawandels in Form von Hitzewellen, Dürreperioden, Starkregen- und Hochwasserereignissen sind längst spürbar und werden in Zukunft noch häufiger und intensiver auftreten. Daraus ergeben sich weitreichende Risiken für Mensch, Gesundheit, Städte, Quartiere, Wirtschaft, Ernährungssicherheit und Natur. Die Anpassung an den Klimawandel ist daher neben dem Klimaschutz der zentrale klima- und umweltpolitische Baustein, um die Resilienz von sozial-ökologischen Systemen zu erhöhen sowie Schäden und Verluste möglichst abzuschwächen bzw. zu verhindern.
Die Klimawandelvorsorgestrategie (KWVS) der Region Köln/Bonn zeigt die Klimafolgen für die Region und ihre Teilräume auf. Siedlungsräume und vor allem die dicht besiedelten Städte der Rheinschiene erwarten eine Zunahme an thermischer Belastung durch den Hitzeinseleffekt, welche vor allem für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Kinder, Schwangere, Obdachlose, Menschen, die im Freien arbeiten müssen, in unzureichend isolierten Wohnungen leben oder eine Vorerkrankung haben. Zusätzlich steigt aufgrund hoher Versiegelungsgrade das Schadenspotenzial von Starkregen- und Hochwasserereignissen. Länger andauernde Dürreperioden bedeuten zukünftig erschwerte Bedingungen für die Landwirtschaft vor allem in den fruchtbaren Bördelandschaften im Linksrheinischen, erhöhte Waldbrandgefahr für die Wälder im Rechtsrheinischen und ausgeprägtere Niedrigwasserstände inklusive wirtschaftlicher Einschränkungen vor allem auf dem Rhein. Hochwasser- und Flutrisiken kumulieren entlang des Rheins, der Wupper, Dhünn, Agger, Sieg, Swist und Erft sowie an deren Bachläufen. Die Starkregen- und Hochwasserereignisse im Sommer 2021 haben gezeigt, welch verheerende Schäden für Mensch, Umwelt, Wirtschaft und Infrastrukturen entstehen können.
Neben den klimatischen Folgen für die Region zeigt die Klimawandelvorsorgestrategie sowohl technische als auch naturbasierte Handlungsoptionen auf, um sich an die bereits sichtbaren sowie zukünftigen Veränderungen anzupassen und Risiken zu minimieren. Ziel dieser Programmlinie ist es, die Erkenntnisse aus der Klimawandelvorsorgestrategie in die Praxis zu tragen und Anpassungskapazitäten von Städten, Gemeinden, Gesellschaft, Wirtschaft und Infrastrukturen in der Region zu stärken. Außerdem stehen neben der Minimierung von Risiken durch Klimaveränderungen auch die Schaffung positiver Effekte durch Klimaanpassungsmaßnahmen, wie die Steigerung der Lebensqualität durch grün-blaue und lebendige Orte, die Förderung von Biodiversität und die Reduktion von Umweltbelastungen im Vordergrund.
Da die Anpassung an den Klimawandel eine langfristige Gemeinschaftsaufgabe ist, müssen die bereits geschaffenen Strukturen, Kompetenzen und das Wissen in der Region weiterverbreitet und institutionell verstetigt sowie die Bevölkerung weiterhin für die Anpassung an den Klimawandel sensibilisiert werden. Dies bildet die Grundlage, um Klimaanpassungsmaßnahmen in jeglichen Bereichen zu planen und wirksam umzusetzen. Geeignete Maßnahmen und Konzepte zur Anpassung sind vielfältig vorhanden und bereits an einigen Orten kleinräumlich umgesetzt. Als Leitbilder fungieren die grüne bzw. wassersensible Stadt und Schwammstadt, zu den Maßnahmen gehören naturbasierte Lösungen wie grün-blaue Infrastrukturen oder die Renaturierung von Flussauen, aber auch die landwirtschaftliche Anbaudiversifizierung, die Verwendung von hellen Baumaterialien, die Berücksichtigung von Frischluftschneisen, der Schutz von Arbeitnehmern*innen, effizientes und wirksames Risiko- und Krisenmanagement und vieles mehr. Etliche Maßnahmen bieten darüber hinaus Synergiepotenzial zum Klimaschutz und sollten daher zusammengedacht werden, wie eine verbesserte Gebäudedämmung, welche die thermische Belastung im Sommer und gleichzeitig den Wärmebedarf im Winter reduziert. Da die Maßnahmen oftmals erst langfristig und in der Breite ihre Wirksamkeit entfalten, ist ein kontinuierliches Monitoring wichtig, um den Erfolg sicherzustellen oder um nachzusteuern und Fehlanpassungen zu vermeiden.
„Wo hochwertige grüne und blaue Infrastrukturen Extremwetterereignisse abmildern können, sollten Kommunen auf naturbasierte Lösungen zurückgreifen. Gut gestaltete und unterhaltene sowie vernetzte grüne und blaue Infrastrukturen bilden die Grundlage für ein gesundes Lebensumfeld. Sie erhöhen die Anpassungsfähigkeit von Städten an den Klimawandel und tragen zur Entwicklung der Biodiversität bei.“
Bundesministerium des Innern und für Heimat
STRATEGISCHE ZIELE
- Schaffung klimaangepasster Siedlungsräume/Quartiere, grün-blauer, baulicher und kritischer Infrastrukturen, Kulturlandschaften sowie einer resilienten (Land-)Wirtschaft
- Anpassungskapazitäten von Kreisen und Kommunen steigern und Klimafolgenanpassung als Zukunftsaufgabe etablieren und verstetigen
- Anpassungskapazitäten der Bevölkerung, insbesondere von vulnerablen Gruppen, stärken, partizipative Klimafolgenanpassung fördern und Akzeptanz für Anpassungsmaßnahmen schaffen
- Mittel- und langfristige Klimafolgen antizipieren, Vulnerabilitäten identifizieren und reduzieren sowie transformative Anpassung fördern
- Integriertes Risiko- und Krisenmanagement ausbauen und so Prävention, Vorbereitung, Bewältigung und Wiederaufbau verknüpfen
KERNAUFGABEN
- Gezielt kurz-, mittel- und langfristige naturbasierte und technische Anpassungsmaßnahmen gegen Hitze-, Dürre-, Starkregen- und Hochwasserereignisse umsetzen
- Erarbeitung konzeptioneller Grundlagen wie Klimaanpassungskonzepte, Hitzeaktionspläne etc. in den Kommunen befördern und in die Umsetzung bringen
- Leitbilder der mehrfachen Innenentwicklung und der Schwammstadt umsetzen, klimaregulierende und ökologisch wertvolle Flächen schützen
- Bevölkerung, Privatwirtschaft, Wohneigentümer*innen und Immobilienwirtschaft für Klimaanpassungsmaßnahmen sensibilisieren
- Aufbau von Monitoring und Evaluation von Anpassungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Wirksamkeit und Nachsteuerung von Anpassungsmaßnahmen
- Flächenkonkurrenzen durch integrierte Planung reduzieren

Erläuterung
Die Karte zu den räumlichen Schwerpunkten für die Programmlinie 3 zeigt die Hotspots der Wärmebelastung und zentrale klimatische Ausgleichsräume sowie Gebiete mit besonderem Hochwasserrisiko in den Siedlungsbereichen. Die Grundlagen basieren auf den Ergebnissen der KWVS für die Region.
Die Schwerpunkte der thermischen Belastung für die Wohnbevölkerung liegen in der Rheinschiene. Infolge des Klimawandels werden sich die thermischen Belastungen im Rheinkorridor zukünftig stark erhöhen. Im Bergischen Rheinland wird der Klimawandel voraussichtlich eine moderate Zunahme der thermischen Belastung mit sich bringen; für das Rheinische Revier kann von einem deutlich stärkeren Anstieg ausgegangen werden. Das Freihalten bestehender Frisch- und Kaltluft-Leitbahnen ist vor dem Hintergrund einer zunehmenden thermischen Belastung sowie der allgemeinen lufthygienischen Situation in den Ballungsräumen deshalb von höchster Priorität. Vor einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt (HQ100), sind die Siedlungsbereiche in der Region Köln/Bonn überwiegend geschützt. Extreme Hochwasserereignisse (HQextrem) mit größeren Flächenumgriffen kommen statistisch gesehen deutlich seltener vor und betreffen unter anderem die Risikogebiete „hinter den Deichen“. Das bedeutet, dass die Gebiete im Falle eines Versagens der Schutzeinrichtungen geflutet werden.
REALISIERTE PROJEKTE
ZUKUNFTSPROJEKTE
ANSCHLUSSFÄHIGKEIT AN EU, BUND UND LAND
- Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel: „Die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung so gefördert wird, dass die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird“
- EU Green Deal und EU Adaptation Strategy
- Klimaanpassungsgesetz des Bundes (KAnG) und Deutsche Anpassungsstrategie (DAS)
- Hitzeschutzplan für Gesundheit des BGM und Hitzeschutzstrategie des BMWSB
- Klimaanpassungsgesetz NRW und Klimaanpassungsstrategie NRW
- Memorandum Urbane Resilienz – zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt, Städte gegenüber zukünftigen Krisen und Katastrophen zu stärken
- Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – spricht sich für klimaangepasste Bauweisen als Reaktion auf die Klimawandelfolgen aus. Vertritt den Standpunkt, dass nachhaltige Gebäude auch die Resilienz der Stadtstrukturen stärken können
- Städtebauförderung – zukünftig verpflichtend, Aspekte der Klimaanpassung und des Klimaschutzes zu berücksichtigen Zukunftsvertrag für NRW – Angebot eines „Starkregen-Check – Stark gegen Starkregen“ für alle Städte und Gemeinden, um heutige Schwachstellen im Hinblick auf Starkregenereignisse zu identifizieren und abzustellen
- Neue Leipzig Charta – Grün-blaue Infrastrukturen bilden die Grundlage für ein gesundes Lebensumfeld und tragen maßgeblich zur Anpassung an den Klimawandel bei. Daher setzt sich die Charta mit der Dimension der grünen Stadt für den Schutz und die Regenerierung gefährdeter Ökosysteme ein
- EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 – ein erheblicher Teil des für den Klimaschutz vorgesehenen EU-Haushalts soll in den Schutz der biologischen Vielfalt und in naturbasierte Lösungen investiert werden
- Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz
WECHSELWIRKUNGEN ZU ANDEREN PROGRAMMLINIEN
Im Zuge eines aktiven Bestandsumbaus kann grundsätzlich auf die Erfordernisse der Bau- und Risikovorsorge, der Klimawandelanpassung und des Klimaschutzes eingegangen werden [Programmlinien Siedlung, Wirtschaftsflächen]
Durch Sensibilisierung von Eigentümer*innen und Nutzer*innen privater Gebäude können Gebäude im Bestand klimaangepasst umgestaltet werden [Programmlinie Siedlung]
Zielkonflikte zwischen Innenverdichtung und Klimafolgenanpassung sind vorprogrammiert; hier bedarf es innovativer Lösungen im Sinne der mehrfachen Innenentwicklung [Programmlinie Siedlung]
Durch den Ausbau regionaler grün-blauer Infrastrukturen bis in die Städte hinein kann die thermische Belastung über Ventilationsbahnen reduziert und gleichzeitig die Retention im Siedlungszusammenhang gestärkt werden [Programmlinie Grün-Blaue Infrastrukturen]
Die Vernetzung großräumiger grün-blauer Infrastrukturen kann dazu beitragen, Grünzäsuren und Grünzüge zwischen den Siedlungslagen zu sichern und zu stärken [Programmlinie Grün-Blaue Infrastrukturen]
Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzebelastung in den Zentren und Ortsmitten erhöhen die dortige Aufenthalts- und Freiraumqualität und stärken dadurch die Standorte [Programmlinie Zentren]