Programmlinie 3 | Siedlungsstrukturen an die Klimawandelfolgen anpassen

HINTERGRUND

Die Klimawandelvorsorgestrategie (KWVS) der Region Köln/Bonn zeigt die Klimawandelfolgen für die Teilräume der Region auf: Der Hitzeinseleffekt und damit die thermische Belastung der Bevölkerung nimmt vor allem in den hoch verdichteten Städten der Rheinschiene zu. Dürrephasen mit Wassermangel und ausgeprägten Niedrigwasserständen führen zu Einschränkungen für die gewerblichen Nutzungen entlang der Rheinschiene. Die Starkregen- und Hochwasserereignisse im Sommer 2021 haben gezeigt, welche verheerenden Schäden solche Ereignisse mit sich bringen. Hochwasserrisiken kumulieren entlang des Rheins, der Wupper, der Dhünn, der Erft, der Swist, der Agger und der Sieg. Die Gefährdung durch Starkregen und Sturzfluten ist zwar ubiquitär, zeigt aber deutliche räumliche Schwerpunkte in Kommunen mit einem hohen Wohnsiedlungs- und Verkehrsflächenanteil in topografisch exponierten Situationen. Im Falle von Hochwasser oder Sturzfluten kann es zu Kaskadeneffekten durch Funktionsausfälle der kritischen Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur kommen.

Der Klimawandel erfordert somit schon heute eine Anpassung räumlicher und gesellschaftlicher Strukturen. Dafür gibt es viele gute Gründe: So sind die Folgen des Klimawandels bereits sichtbar und trotz aller Anstrengungen im Bereich des Klimaschutzes auch in Zukunft unausweichlich. Anpassungsstrategien brauchen Zeit, insofern ist die Transformation des Bestands eine dringende Aufgabe. Zugleich dürfen in der weiteren Siedlungsentwicklung keine Fakten geschaffen werden, die eine Anpassung ver- oder behindern.

Ziel dieser Programmlinie ist es, robuste, klimawandelangepasste Siedlungsstrukturen im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung zu schaffen. Im Fokus steht eine aktive Anpassung der Bau- und Infrastrukturen, vor allem der kritischen Infrastrukturen, an aktuelle und im Zuge des Klimawandels zu erwartende Gefahrensituationen. Zu diesen Gefahren zählen insbesondere die thermische Belastung und Dürre bzw. Niedrigwasserperioden sowie Starkregen und Hochwasser.

Eine robuste Ausgestaltung bezieht unter anderem die Bauvorsorge im Objektbereich mit ein, beispielsweise durch hochwasserangepasste Bauweisen. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach redundanten Strukturen im Krisenfall – unter anderem in Bezug auf die Wasser- und Energieversorgung oder die Erreichbarkeiten wichtiger Infrastrukturen.

Ein zentraler Ansatzpunkt ist zudem die Sicherung und Schaffung urbaner grün-blauer Infrastrukturen im unmittelbaren Siedlungskontext: Sie leisten durch ihre klimaökologischen Ausgleichs- und kleinräumigen Retentionsfunktionen einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau resilienter Siedlungsstrukturen

 

„Wo hochwertige grüne und blaue Infrastrukturen Extremwetterereignisse abmildern können, sollten Kommunen auf naturbasierte Lösungen zurückgreifen. Gut gestaltete und unterhaltene sowie vernetzte grüne und blaue Infrastrukturen bilden die Grundlage für ein gesundes Lebensumfeld. Sie erhöhen die Anpassungsfähigkeit von Städten an den Klimawandel und tragen zur Entwicklung der Biodiversität bei.“

Bundesministerium des Innern und für Heimat
 

STRATEGISCHE ZIELE

  • Schaffung robuster, klimaangepasster Siedlungsstrukturen im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung
  • Förderung von an die Gefahrensituationen angepassten Bau- und Infrastrukturen (thermische Belastung, Starkregen- und Hochwassergefährdung)
  • Sicherung und Schaffung klimastabiler, urbaner Freiräume mit hoher Ausgleichsfunktion als Beitrag zu einer resilienten Siedlungsstruktur

KERNAUFGABEN

  • Die regionale Klimawandelvorsorgestrategie für die Teilräume konkretisieren und kommunale Klimaanpassungsstrategien aufeinander abstimmen; dafür notwendige Grundlagen (Modellierungen) erarbeiten
  • Eine Balance zwischen dem Leitbild der Innenentwicklung und den Erfordernissen der Risikovorsorge, der Klimawandelanpassung und des Klimaschutzes, vor allem in hoch verdichteten Bereichen, finden
  • Das Prinzip der „wassersensiblen Stadt“ konsequent umsetzen: wassersensible Siedlungs- und Freiraumstrukturen schaffen; an die Gefahrensituation angepasstes Bauen, Sanieren und Modernisieren fördern
  • Das Prinzip der „kühlen Stadt“ konsequent umsetzen: thermische Belastung im Bereich der urbanen Wärmeinseln gezielt verringern und nächtliche Abkühlung fördern; Entdichten und Entsiegeln zugunsten von Durchlüftung und Kühlung gezielt fördern
  • Mehr und besser nutzbares urbanes Grün schaffen; Freiraumentwicklungskonzepte zur Qualifizierung und Profilierung der Freiräume erstellen
  • Grünzäsuren/Grünzüge zwischen den Siedlungslagen in ihrer Multifunktionalität als Kaltluftleitbahnen und Retentionsflächen (Renaturierung von Fließgewässern, Wasserrückhalt in der Fläche) sichern und stärken
  • Klimawandelgerechte Ausgestaltung der urbanen grün-blauen Infrastruktur umsetzen
  • Angemessene Schutzmaßnahmen für empfindliche, kritische sowie gefährdende Infrastrukturen umsetzen
  • Eigentümer*innen und Nutzer*innen privater Räume für Klimaanpassungsmaßnahmen sensibilisieren

KARTE PROGRAMMLINIE 3

Erläuterung
Die Karte zu den räumlichen Schwerpunkten für die Programmlinie 3 zeigt die Hotspots der Wärmebelastung und zentrale klimatische Ausgleichsräume sowie Gebiete mit besonderem Hochwasserrisiko in den Siedlungsbereichen. Die Grundlagen basieren auf den Ergebnissen der KWVS für die Region.

Die Schwerpunkte der thermischen Belastung für die Wohnbevölkerung liegen in der Rheinschiene. Infolge des Klimawandels werden sich die thermischen Belastungen im Rheinkorridor zukünftig stark erhöhen. Im Bergischen Rheinland wird der Klimawandel voraussichtlich eine moderate Zunahme der thermischen Belastung mit sich bringen; für das Rheinische Revier kann von einem deutlich stärkeren Anstieg ausgegangen werden. Das Freihalten bestehender Frisch- und Kaltluft-Leitbahnen ist vor dem Hintergrund einer zunehmenden thermischen Belastung sowie der allgemeinen lufthygienischen Situation in den Ballungsräumen deshalb von höchster Priorität. Vor einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt (HQ100), sind die Siedlungsbereiche in der Region Köln/Bonn überwiegend geschützt. Extreme Hochwasserereignisse (HQextrem) mit größeren Flächenumgriffen kommen statistisch gesehen deutlich seltener vor und betreffen unter anderem die Risikogebiete „hinter den Deichen“. Das bedeutet, dass die Gebiete im Falle eines Versagens der Schutzeinrichtungen geflutet werden.

REALISIERTE PROJEKTE PROGRAMMLINIE 3

Stadt Köln

Multifunktionale Retentionsfläche Porz-Eil, Köln

Mit der mulifunktionalen Retentionsfläche Porz-Eil haben die Stadt Köln und die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) Köln in zwei Pilotprojekten (Eiler Schützenplatz und Platz an der Leidenhausener Straße) die erforderliche Risikobekämpfung für Starkregenereignisse mit der städtebaulichen Aufwertung des öffentlichen Raums zusammengeführt. Die Projekte dienen dabei als Vorbild für andere Stadtteile und vergleichbare räumliche Situationen in der Region.

Rheinisch-Bergischer Kreis

Starkregengefahrenkarte, Rheinisch-Bergischer Kreis

Im Rahmen der Erstellung des Klimaschutzteilkonzeptes zur Anpassung an den Klimawandel im Rheinisch-Bergischen Kreis wurde eine topografische sowie eine hydraulische Starkregengefahrenkarte erstellt. Die topografische Starkregengefahrenkarte zeigt potenzielle Gefahrenpunkte durch Starkregenabflüsse auf. Die hydraulische Starkregengefahrenkarte ermöglicht eine detaillierte Ermittlung der Strömungsverhältnisse, der Fließgeschwindigkeiten, der Fließrichtungen, der Wasserspiegellagen und der Überflutungstiefen zur Ableitung konkreter Maßnahmen. 

Stadt Köln

Masterplan Stadtgrün, Köln

Mit dem Masterplan Stadtgrün hat die Stadt Köln ein strategisch-konzeptionelles Grün- und Freiraumkonzept erarbeitet, das die vielfältigen Funktionen der Grünflächen und Freiflächen darstellt und ihre Bedeutungen als Ökosystemleistungen für die Stadt in den Mittelpunkt rückt. Der Masterplan bietet eine fundierte Informationsbasis für politische Entscheidungen und ist somit ein zentraler Baustein für einen natürlichen, zukunftsweisenden Klimaschutz.

Tiefbauamt Bonn

Hochwasserschutzmaßnahmen Mehlemer Bach, Bonn und Wachtberg

Die Starkregenereignisse in den Jahren 2010, 2013 und 2016 verursachten im Bonner Süden, v.a. im Stadtteil Mehlem, teils verheerende Schäden an Gebäuden, Hab und Gut der Anwohnenden sowie der Infrastruktur. Als Konsequenz setzte das Tiefbauamt der Bundesstadt Bonn zum Hochwasserschutz einen Entlastungskanal von rund 1.000 m Länge und einem Durchmesser von etwa 3 m um, der vor dem Mehlemer Ortskern beginnt und direkt in den Rhein führt.

ZUKUNFTSPROJEKTE PROGRAMMLINIE 3

Region Köln/Bonn e.V.

METRO-KLIMA-LAB, Köln, Niederkassel und Troisdorf

Mit dem Projekt „METRO-KLIMA-LAB“ wird für den Freiraum zwischen Niederkassel, Troisdorf und Köln ein Stadt- und Freiraumkonzept zur Klimawandelanpassung entwickelt, das den Raum durch multicodierte Maßnahmen zu einem resilienten „METROKLIMA- PARK“ weiterentwickelt. Konkret geht es bei dem Projekt darum, den betrachteten siedlungsbezogenen Freiraum (ca. 47 Quadratkilometer) mit regionalbedeutsamer Funktion für das Stadtklima und einer verbrauchernahen Landwirtschaft in seiner klimatischen Funktion weiterzuentwickeln, die Agrarlandschaft ökologisch anzureichern und gleichzeitig die Naherholungsfunktion zu stärken.

Stadt Erftstadt

Campuslandschaft Erftstadt (Teilprojekt Modellraum Klimaresilienz)

Der Campus Rhein-Erft der Technischen Hochschule Köln ist als „Herzstück“ des im Süden von Erftstadt-Liblar entstehenden Modellraums für nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung vorgesehen. Er stellt ein zentrales Vorhaben dar, um den Strukturwandel im Rheinischen Revier mitzugestalten. Das Teilprojekt Modellraum Klimaresilienz und nachhaltige Raumentwicklung des Agglomerationsprogramms umfasst dabei im Wesentlichen den umgebenden Siedlungs- und Freiraum des geplanten Campus. Entstehen soll ein Forschungs-, Lern- und Erfahrungsraum für eine nachhaltige, klimaresiliente Raumentwicklung in Symbiose mit dem neuen Hochschulstandort.

ANSCHLUSSFÄHIGKEIT AN EU, BUND UND LAND

  • Memorandum Urbane Resilienz – zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt, Städte gegenüber zukünftigen Krisen und Katastrophen zu stärken 
  • Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – spricht sich für klimaangepasste Bauweisen als Reaktion auf die Klimawandelfolgen aus. Vertritt den Standpunkt, dass nachhaltige Gebäude auch die Resilienz der Stadtstrukturen stärken können
  • Städtebauförderung – zukünftig verpflichtend, Aspekte der Klimaanpassung und des Klimaschutzes zu berücksichtigen
    Zukunftsvertrag für NRW – Angebot eines „Starkregen-Check – Stark gegen Starkregen“ für alle Städte und Gemeinden, um heutige Schwachstellen im Hinblick auf Starkregenereignisse zu identifizieren und abzustellen
  • Neue Leipzig Charta – Grün-blaue Infrastrukturen bilden die Grundlage für ein gesundes Lebensumfeld und tragen maßgeblich zur Anpassung an den Klimawandel bei. Daher setzt sich die Charta mit der Dimension der grünen Stadt für den Schutz und die Regenerierung gefährdeter Ökosysteme ein
  • EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 – ein erheblicher Teil des für den Klimaschutz vorgesehenen EU-Haushalts soll in den Schutz der biologischen Vielfalt und in naturbasierte Lösungen investiert werden

WECHSELWIRKUNGEN ZU ANDEREN PROGRAMMLINIEN

  • Im Zuge eines aktiven Bestandsumbaus kann grundsätzlich auf die Erfordernisse der Bau- und Risikovorsorge, der Klimawandelanpassung und des Klimaschutzes eingegangen werden [PL 1, 7]
  • Durch Sensibilisierung von Eigentümer*innen und Nutzer*innen privater Gebäude können Gebäude im Bestand klimaangepasst umgestaltet werden [PL 1]
  • Zielkonflikte zwischen Innenverdichtung und Klimawandelfolgenanpassung sind vorprogrammiert; hier bedarf es innovativer Lösungen im Sinne der mehrfachen Innenentwicklung [PL 1]
  • Durch den Ausbau regionaler grün-blauer Infrastrukturen bis in die Städte hinein kann die thermische Belastung über Ventilationsbahnen reduziert und gleichzeitig die Retention im Siedlungszusammenhang gestärkt werden [PL 4]
  • Die Vernetzung großräumiger grün-blauer Infrastrukturen kann dazu beitragen, Grünzäsuren und Grünzüge zwischen den Siedlungslagen zu sichern und zu stärken [PL 4]
  • Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzebelastung in den Zentren und Ortsmitten erhöhen die dortige Aufenthalts- und Freiraumqualität und stärken dadurch die Standorte [PL2]
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