Programmlinie 4 | Regionale grün-blaue Infrastrukturen aufbauen, vernetzen und betreiben
HINTERGRUND
Die Region Köln/Bonn verfügt über naturräumlich vielfältige und ökologisch hochwertige Freiräume und Kulturlandschaften. Viele Bausteine tragen zur Multifunktionalität des Freiraumnetzes bei: die Rheinauen und Niederterrassen, die beiden Waldgürtel rechts- und linksrheinisch, das feingliedrige Gewässernetz der Region, das waldreiche Bergische RheinLand wie auch die Ville- und Bördelandschaften. Die bedeutsamen Kulturlandschaften stärken die Erholungsfunktionen in der Region und im unmittelbaren Wohnumfeld. Sie dienen als Identitätsanker für die Bevölkerung. In den Schwerpunkträumen des Strukturwandels lassen sich vielfältige landschaftliche Gestaltungspotenziale im Zuge der Rekultivierung und Folgelandschaftsgestaltung erschließen.
Durch den hohen Besiedlungsgrad der Region und die hohe Dichte an Infrastrukturtrassen gibt es nur noch wenige unzerschnittene, verkehrs- und lärmarme Räume. In der prosperierenden Region geraten die Freiräume zudem zunehmend unter Druck, die Konflikte zwischen Freiraumsicherung und Flächenbedarf für den Ausbau der Siedlungs- und Infrastrukturen nehmen zu. Gleichzeitig haben die Corona-Pandemie wie auch die Hochwasser- und Flutereignisse im Sommer 2021 die wachsende Bedeutung der Freiräume deutlich vor Augen geführt.
Umso entscheidender ist es, die Region zukünftig von ihren Freiräumen her zu denken. Ziel ist es deshalb, ein robustes Freiraumgerüst für die Region Köln/Bonn aufzubauen und zu sichern. Wichtig ist es, die Ökosystemleistungen und Funktionen der grün-blauen Infrastruktur zu stärken: Darunter fallen vor allem die klimaökologische Ausgleichs- und Retentionsfunktion, die Biodiversitäts- und Naturschutzfunktion sowie erholungs- und gesundheitsfördernde Funktionen. Diese Funktionen leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, die Resilienz der Region zu erhöhen.
Insbesondere das Netz hochfunktionaler Freiräume mit großflächigen Naturschutz-, FFH- und Überschwemmungsgebieten sollte prinzipiell von Bebauung und sonstigen konkurrierenden Nutzungen frei bleiben. Die Region wird damit auch ihrer Verantwortung zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität gerecht.
In den Schwerpunkträumen des Strukturwandels und entlang der dicht besiedelten Rheinschiene gilt es, neue multifunktionale Freiraumverbünde und Landschaftsbilder zu schaffen. Sie können Vorbilder dafür sein, wie es gelingen kann, funktionale und gestalterische Qualitäten zukunftsfähig zu verknüpfen.
Grundsätzlich gilt, dass die großräumigen grün-blauen Infrastrukturen intensiv mit innerstädtischen Freiräumen verknüpft werden sollten. So entsteht ein mit den Siedlungsbereichen dicht verwobenes Freiraumgerüst, das für funktionalen Ausgleich sorgt und gleichzeitig auf kurzem Wege für die Menschen in der Region erreichbar ist.
„Grüne Infrastruktur kann definiert werden als ein strategisch geplantes Netzwerk wertvoller natürlicher und naturnaher Flächen mit weiteren Umweltelementen, das so angelegt ist und bewirtschaftet wird, dass sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum ein breites Spektrum an Ökosystemdienstleistungen gewährleistet und die biologische Vielfalt geschützt ist.“
Europäische Kommission
STRATEGISCHE ZIELE
- Sicherung und Aufbau eines hochfunktionalen und robusten Freiraumgerüsts für die Region (grün-blaue Infrastrukturen); Verknüpfung der großräumigen grün-blauen Infrastruktur mit innerstädtischen Freiräumen
- Stärkung der Ökosystemleistungen und Funktionen der grün-blauen Infrastrukturen, vor allem der klimaökologischen Ausgleichs- und Retentionsfunktion, der Biodiversität- und Naturschutzfunktion, der Versorgungsfunktion und der erholungs- und gesundheitsfördernden Funktionen
- Stärkung der Kulturlandschaften als Identitätsanker; Vernetzung der regionalen Landschafts- und Erholungsräume
- Schaffung neuer multifunktionaler Freiräumverbünde und neuer Landschaftsbilder in den Schwerpunkträumen des Strukturwandels und entlang der dicht besiedelten Rheinschiene
KERNAUFGABEN
- Eine regionale Strategie zum Ausbau und zur Qualifizierung der grün-blauen Infrastrukturen für die Region erarbeiten, Schwerpunkte setzen und mit der Kommunalentwicklung koordinieren
- Die Prinzipien des Konzepts der (urbanen) grün- blauen Infrastrukturen konsequent anwenden: Naturnähe fördern, Grünräume vernetzen und Synergien zwischen den freiraumrelevanten Sektorplanungen realisieren
- Das hochfunktionale, regionale Freiraumnetz formell sichern, an den Klimawandel anpassen und vor konkurrierenden Nutzungen schützen: bioklimatische Ausgleichsräume, Kaltluftentstehungsgebiete und Luftleitbahnen, großräumige Retentionsflächen, FFH- und Naturschutzflächen, großflächige unzerschnittene Gebiete, wichtige Erholungsräume
- Freiraumkorridore entwickeln: Grünzüge und -zäsuren qualifizieren; lärmarme, unzerschnittene Räume schützen bzw. erweitern; Barrieren abbauen
- Multifunktionalität der Freiräume stärken: Freiräume multicodieren, damit diese soziale, ökologische, ökonomische und technische Funktionen gleichzeitig übernehmen
- Wälder und Waldgürtel erhalten und in ihrer Multifunktionalität verträglich stärken; Waldbereiche konsequent arrondieren; Wälder klima- wandelangepasst und naturnah umbauen
- Gewässern Raum geben, die Gewässer- und Talsperrenlandschaft durch Renaturierung und Förderung von Biotopverbund und biologischer Vielfalt zukunftsorientiert entwickeln; möglichst naturbasierte Maßnahmen des Hochwasserschutzes und zur Anpassung an den Klimawandel umsetzen, Wasserkompetenz in allen Teilräumen stärken
- Interkommunale Projekte anstoßen, die die Erreichbarkeit und Nutzbarkeit der Freiräume und Erholungslandschaften für die Bevölkerung verbessern und insbesondere die gesundheitlichen Funktionen stärken
KARTE PROGRAMMLINIE 4
Erläuterung
Trotz der hohen Siedlungsdichte besitzt die Region hochwertige und multifunktionale Freiräume, deren Qualität es mit Blick auf den anhaltenden Siedlungsdruck zukünftig zu sichern und zu entwickeln gilt. Zudem gilt es, die Landschaften vor dem Hintergrund des Klimawandels umzubauen und weiterzuentwickeln und damit in ihren Qualitäten und Funktionen für die Zukunft zu sichern. Dabei kann die Region auf ein breites Portfolio bereits bestehender (teil-)regionaler Konzepte zurückgreifen, wie den „Masterplan Grün“, das Projekt „RegioGrün“ oder das „Grüne C“. Auch die Klimawandelvorsorgestrategie trifft Aussagen zu klimarelevanten Freiräumen. Im Agglomerationskonzept wurden diese unterschiedlichen Flächenkulissen zusammengefasst dargestellt.
Die vielfältigen Freiräume und Landschaften bilden mit ihrem feingliedrigen Gewässernetz, den waldreichen Gebieten im Bergischen RheinLand und den fruchtbaren Böden in Ville und Börde das Rückgrat der Region Köln/Bonn. Die vielfältigen Funktionen, die die Freiräume und Landschaften übernehmen, sind ein zentraler Faktor für die Attraktivität, Leistungsfähigkeit und Versorgung der Region. Der weitere Ausbau der Siedlungs- und Infrastrukturen wie auch die Klimawandelfolgen erhöhen den Druck auf die Freiräume und Landschaften und damit auch die Notwendigkeit, Konzepte zu deren Sicherung und qualitativen Weiterentwicklung auf regionaler Ebene zu erarbeiten und gemeinsam umzusetzen.
REALISIERTE PROJEKTE PROGRAMMLINIE 4
ZUKUNFTSPROJEKTE PROGRAMMLINIE 4
ANSCHLUSSFÄHIGKEIT AN EU, BUND UND LAND
- Der Europäische Grüne Deal – rückt den Wald, Ökosysteme und Gewässer in den Fokus und setzt sich für den Schutz bestehender Systeme sowie den Ausbau derselben ein
- Neue Leipzig Charta – grün-blaue Infrastrukturen bilden die Grundlage für ein gesundes Lebensumfeld und tragen maßgeblich zur Anpassung an den Klimawandel bei. Daher setzt sich die Charta mit der Dimension der grünen Stadt für den Schutz und die Regenerierung gefährdeter Ökosysteme ein
- Bundeskonzept Grüne Infrastruktur – Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen sollen mithilfe grüner Infrastrukturen erhalten und verbessert werden
- Förderprogramm „Stärkung der grünen Infrastruktur“ NRW – Das Land Nordrhein-Westfalen stellt Mittel zur Förderung der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen zu Erhalt, Wiederherstellung, Aufwertung und Vernetzung grüner Infrastrukturen zur Verfügung
WECHSELWIRKUNGEN ZU ANDEREN PROGRAMMLINIEN
- Durch eine Vernetzung des regionalen Freiraumsystems können Synergien mit den urbanen Freiräumen einen wichtigen Beitrag zu einer klimawandelangepassten Siedlungsstruktur leisten [PL 3]
- Die Produktions- und VersorgungsLandschaft bezieht sich auf die Ressourcen, die Freiraum und Landschaft für die Forst- und Landwirtschaft, die Wasserwirtschaft und Trinkwasserversorgung, die Ernährung sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien bietet [PL 5]
- Durch die Sicherung und den Ausbau der Mobilitätsachsen wird die Vernetzung zusammenhängender grün-blauer Infrastrukturen unter Druck gesetzt [PL 6]
- Freiräume können durch den Siedlungsausbau [PL 1] sowie durch die Erschließung neuer Wirtschaftsflächen verloren gehen [PL 7]