Programmlinie | Siedlung nachhaltig und ressourcenschonend entwickeln, Flächen sparen
HINTERGRUND
Die Region Köln/Bonn zählt zu den prosperierenden Regionen in Nordrhein-Westfalen. Dies gilt insbesondere für die Rheinschiene als Wachstumsraum und Wirtschaftsmotor. Daraus ergibt sich ein ausgesprochen hoher Nutzungs- bzw. Flächendruck für die gesamte Region, wenngleich sich die demografischen und raumstrukturellen Ausgangslagen und Entwicklungen in den Teilräumen stark unterscheiden. Für Wohnen, Gewerbe und Industrie, aber auch für den Infrastrukturausbau bleibt die Nachfrage nach Entwicklungsflächen anhaltend hoch. Deshalb stellen die Transformation des Bestands und die (kleinteilige) Flächenentwicklung eine Aufgabe von regionaler Bedeutung dar.
Die Flächenknappheit entlang der Rheinschiene führt zu erheblichen Zielkonflikten zwischen unterschiedlichen Raumnutzungen und -funktionen. Die Erschließung neuer Bauflächen wie auch die Innenentwicklung stehen im Spannungsfeld zwischen den Zielen „Flächensparen“ und „Klimaanpassung“ bzw. „Risikovorsorge“. Der intensive Siedlungs- und Infrastrukturausbau verändert zudem die siedlungskulturellen und landschaftlichen Qualitäten der Region. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche Bedeutung zum Beispiel der grün-blauen Infrastruktur der Region und dem urbanen Freiraum zukommt. Hinzu kommt, dass sich die Nutzungsansprüche an Wohn- und Arbeitsorte wandeln – verstärkt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, der Klimakrise sowie des demografischen Wandels. Zugleich mehren sich bei der Erschließung neuer Bauflächen in Siedlungsrandlagen Restriktionen und Widerstände.
Die Region kann auf vielfältige Entwicklungspotenziale im Bestand zurückgreifen: auf Konversionsflächen, in bestehenden Gewerbe- und Industriegebieten, aber auch im Bereich des privaten Wohnens. Gleichzeitig ist es besonders schwierig, den Um- und Ausbau des Bestands zukunftsfähig voranzutreiben bzw. zu gestalten. Hier greift das Konzept der mehrfachen Innenentwicklung.
Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Region, ausbalancierte, tragfähige und verträgliche Lösungen für die erforderliche Siedlungsentwicklung auf regionaler bzw. kommunaler Ebene zu finden. Ziel ist, ein adäquates Angebot an zukunftsfähigen Wohn- und Arbeitsstandorten in allen Teilräumen zu schaffen, das ihren spezifischen Qualitäten und Potenzialen entspricht. Dabei ist einer flächensparenden und raumverträglichen Siedlungsentwicklung Rechnung zu tragen. Damit befasst sich Programmlinie 1 [PL 1].
„Eine ausbalancierte räumliche Entwicklung der Region Köln/Bonn kann nur dann erreicht werden, wenn die Zielkonflikte zwischen dem Siedlungswachstum und den Anforderungen des Klimaschutzes bzw. der Klimaanpassung bewältigt werden. Um eine solche Balance zu finden, bedarf es einer mehrfachen Innenentwicklung.“
Praxishilfe Mehrfache Innenentwicklung
STRATEGISCHE ZIELE
- Umsetzung regional und kommunal ausbalancierter, tragfähiger Lösungen für die erforderliche Siedlungsentwicklung in der Region
- Verwirklichung einer raumverträglichen, flächen- und ressourcensparenden Siedlungsentwicklung in allen Teilräumen der Region durch Umbau, Ausbau und (kleinflächigem) Neubau
- Schaffung eines adäquaten Angebots an zukunftsfähigen Wohn- und Arbeitsstandorten für verschiedene Bevölkerungsgruppen und Unternehmen in der ganzen Region
KERNAUFGABEN
- Zielgerichtete Innenentwicklung betreiben: Vorrang der Innenentwicklung vor Außenentwicklung konsequent umsetzen – mit Fokus auf Bestandsumbau, Konversion und kleinteiligen Neubau
- Umbau und Anpassung der Bestände: Entwicklungspotenziale durch Optimierung im Bestand und Konversion aktiv nutzen – Gebäudebestand modernisieren, Bestände neu interpretieren und wieder in Wert setzen, Baulücken schließen, Flächen recyceln, Potenzial durch den Generationswechsel im Ein- und Zweifamilienhaussektor nutzen
- Flächen besser nutzen und Flächeninanspruchnahme reduzieren: baulich und funktional höhere Dichten im Bestand und bei Neubau ortsangemessen realisieren, Nutzungen wo möglich und sinnvoll stapeln
- Mehrfache Innentwicklung als Qualitätsmaßstab für die Siedlungsentwicklung bei Um-, Aus- und Neubau setzen: (1) Bebauungsdichte und Nutzungsvielfalt erhöhen, (2) Stadtgrün vermehren, qualitativ aufwerten und für klimatischen Ausgleich nutzen, (3) Mobilitätsangebote verbessern, (4) Energieeffizienz erhöhen, (5) soziale sowie (6) baukulturelle Aspekte berücksichtigen
- Ansätze für kreislaufgerechtes, klimaschonendes und ressourceneffizientes Bauen, Sanieren und Modernisieren im Bestand verfolgen
- Funktionsmischung und Flexibilisierung fördern: Nutzungsvielfalt erhöhen und gemischt genutzte Quartiere (kurze Wege) umsetzen; flexible Nutzungskonzepte erarbeiten, um künftigen Bedarfen und Transformationen im Bestand gerecht zu werden
- Verstärkt auf Wohntypenvielfalt setzen, um alle Altersgruppen und Milieus an die Region zu binden: bezahlbare urbane und ländliche Wohnangebote, Mehrgenerationenwohnen, Baugemeinschaften
- Zielkonflikte zwischen Neuerschließung/Nachverdichtung und Klimaanpassung/Freiraumentwicklung sowie zwischen den unterschiedlichen Raumnutzungen und -funktionen gemeinsam lösen
KARTE PROGRAMMLINIE 1
Erläuterung
Die Karte für die Programmlinie 1 orientiert sich an den bereits im Agglomerationskonzept gesetzten räumlichen Schwerpunkten: Um das Siedlungswachstum in der Region möglichst raumverträglich auszugestalten, soll die transportorientierte Siedlungsentwicklung entlang leistungsfähiger Mobilitätsachsen sowie im Umfeld der SPNV-Haltestellen und Mobilitätshubs weiterverfolgt werden. Besondere Potenziale für die weitere Siedlungsentwicklung bieten die regionalen Entwicklungsräume, da diese aufgrund ihrer Lage, Bestandsstruktur, Flächenverfügbarkeit und Anbindung eine besondere Dynamik und vielerorts bedeutende Umbaureserven aufweisen.
Auch die Untersuchung zur mehrfachen Innenentwicklung bestätigte, dass in Köln und Bonn die Innenentwicklungspotenziale im Bestand schon vielerorts ausgeschöpft sind. Die größten Möglichkeiten zur Nachverdichtung bieten sich hier noch in untergenutzten Gewerbegebieten sowie in den locker bebauten Stadtrandbereichen. Die mit Abstand größten Potenziale für eine Innenentwicklung liegen in den Kommunen der sogenannten zweiten Reihe sowie in den durch den öffentlichen Schienenverkehr gut erschlossenen suburbanen Bereichen (zum Beispiel „Erftkorridor“, Entwicklungskorridor „Bergisches Land“).
REALISIERTE PROJEKTE PROGRAMMLINIE 1
ZUKUNFTSPROJEKTE PROGRAMMLINIE 1
ANSCHLUSSFÄHIGKEIT AN EU, BUND UND LAND
- Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Reduzierung der Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf maximal 30 Hektar pro Tag
- Neue Leipzig Charta (2020) – Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch umfassende Revitalisierung und Erneuerung von städtischen Gebieten sowie Schaffung von gut gestaltetem, sicherem und bezahl- barem Wohnraum, um so sozial gemischte und lebendige Stadtquartiere zu erhalten
- Zukunftsvertrag für NRW – unter anderem die Innenentwicklung stärken und das Nachhaltigkeitsziel beim Flächenverbrauch mit konkreten Maßnahmen hinterlegen
- EFRE-Aufruf „Wohnviertel im Wandel“ (2022) – Vorantreiben der Neunutzung von Brachflächen, die Herstellung natürlicher städtischer Grünräume und die Modernisierung der Gemeinbedarfsinfrastruktur mit ambitionierten energetischen Standards
WECHSELWIRKUNGEN ZU ANDEREN PROGRAMMLINIEN
- Durch die Entwicklung des Bestands können Innenstadtlagen und Ortsmitten gestärkt werden [PL 2]
- Die mehrfache Innenentwicklung kann dazu beitragen, den Anteil an städtischem Grün zu erhöhen, den klimatischen Ausgleich und somit die Resilienz von Siedlungsstrukturen zu fördern. Gleichzeitig verstärkt die Innenentwicklung jedoch den Druck auf das Stadtgrün [PL 3]
- Neuentwicklungen von Bauflächen in Randlagen stehen in Konkurrenz zur Sicherung der grün-blauen Infrastruktur der Region [PL 4] und der natürlichen Ressourcen [PL 5]
- Die Innen- und Flächenentwicklung soll mit einer umweltverträglichen Mobilitäts- und Verkehrsinfrastrukturentwicklung verbunden werden [PL 6]
- Die Modernisierung von Gewerbebestandsgebieten ermöglicht eine Erhöhung der Flächenproduktivität in diesen Gebieten [PL 7]